Die Lust am Sex wieder entdecken

In verliebten Phasen ist Lust meist von ganz alleine stark ausgeprägt und trägt uns von einem berauschenden Augenblick, oft auch einem Höhepunkt zum nächsten. Wir möchten verführen und verführt werden, können kaum vom anderen lassen, alles finden wir toll. Wir genießen das gemeinsame Spiel.
Von inniger Zärtlichkeit und Hingabe eingehüllt, spüren wir uns selbst und den anderen intensiv und wünschen, dass dieser Zustand ewig anhält. Nach einiger Zeit ist die Situation oft eine ganz andere. Die Lust wurde vom Alltag verschluckt und wir würden manchmal – weil es so einfach wäre – gerne dem Partner bzw. der Partnerin die Schuld an mangelndem und unbefriedigendem Sex geben. Dabei tragen wir selbst auch viel dazu bei. Das schöne ist, dann können Sie auch selbst etwas zum positiven verändern!!

Vom Verliebtsein zur Liebe

Wenn das Verliebtsein in Liebe “übergeht”, eröffnet dies meist völlig neue Möglichkeiten. Man lässt sich mehr und mehr auf einander ein und genießt mit der Zeit mehr Vertrauen und Sicherheit, Gewohnheiten, Rituale und Zuverlässigkeit. Es entwickelt sich eine individuelle und tragfähige Basis, auf die man bauen kann, man hat sich gegenseitig besser kennen gelernt, glaubt den Partner “einschätzen” zu können. Mit der Zeit kennt man die Zuckerseiten und Macken, die liebenswerten und unmöglichen Schrullen des Partners und weiß meist, wie man damit umgehen soll.

Wenn die Lust auf der Strecke bleibt

Zu Beginn der Beziehung ist der Sex aufregend und neuartig. Dann hat man das Bedürfnis, Sicherheiten und Vertrauen aufzubauen, eine verbindliche Beziehung zu genießen, in der man seinen Platz findet. Dieser Teil eines ganz normalen Beziehungsverhaltens macht nicht sexy. Denn…man glaubt alles zu wissen, was der Partner mag, was ihm Freude und Lust bereitet und was gar nicht geht. Man kennt die besten Uhrzeiten und beliebtesten Stellungen. Viele Fantasien und Träume sind ausgetauscht, erotische Vorlieben schon längst zur Gewohnheit geworden. Oft kann man nichts Neues mehr erzählen, also wird geschwiegen. Viele Paare reduzieren ihre Sexualität – meist unbewusst – auf den kleinsten gemeinsamen Nenner.

Lustkiller “Los, mach mir Lust”!

Was einige Zeit zuverlässige Befriedigung vermittelt, kann auch langweilig werden. Wenn die Lust nachlässt, würden viele gerne dem Partner bzw. der Partnerin die Schuld an mangelndem und unbefriedigendem Sex geben. Immerhin war er oder sie früher viel aktiver. Stimmt. Sie selbst aber auch.

Wenn die Tage von Gewohnheiten und Alltagskram geprägt, oder durch mehrfache Belastungen sehr straff organisiert sind – wie soll da “von ganz alleine” Sex stattfinden? Geschweige denn lustvoller, aufregender Sex! Sex, der wohltuend überrascht!? Da können Vorwürfe wie “Nie ergreifst du die Initiative!” oder “Mach was Neues, aber mach es richtig!” schnell viel kaputt machen. Rein verbale Bestellungen wie “du, ich hätte gern mal wieder Sex” kommen meinst als vorwurfsvolles “mach du mal” an. Das sind richtige Lustkiller. Auch, wenn einer viel öfter will als der andere und Druck ausübt, kann es sehr kontraproduktiv sein. Druck erzeugt Gegendruck, die Rollen sind dann fixiert. Doch es gibt Methoden aus dieser bedrückenden Endlosschleife auszusteigen.

Entscheidung für die Lust

Es gibt kein 08/15-Rezept, das für alle gilt. Aber: es braucht immer bewusste Entscheidungen zu einem “ja, ich will wieder lustvollen Sex mit meinem Partner erleben!”. Dazu braucht es Eigenverantwortung für die Lust zu übernehmen und aktiv zu werden. Ein gewisses Fingerspitzengefühl um die Bedürfnisse und Vorlieben beider zu berücksichtigen ist sinnvoll und erwünscht. Diese Entscheidung gibt augenblicklich Spielräume selbst etwas zu tun und Sie können endlich aus der Warteposition oder der vorwurfsvollen Rolle aussteigen. Also:

Was möchten Sie selbst?

Beginnen Sie im ersten Schritt bei sich selbst. Nehmen Sie sich Zeit um sich selbst wieder zu spüren und einen wohlwollenden Blickwinkel auf die Begehrlichkeiten des eigenen Körpers zu finden. Sind es Berührungen, die sinnliche Bedürfnisse wecken oder Worte? Optische Eindrücke oder Gerüche? Fantasien oder Erinnerungen? Lieben Sie es, die Stimme und den Atem Ihres Partners ganz nahe am Ohr zu spüren? Alles zusammen? Vergessen Sie, was Ihnen bisher routinemäßig Lust produziert hat und probieren Sie unbedingt neue Spielvarianten. Denn wer immer tut, was er immer getan hat, darf sich nicht wundern, wenn er das bekommt, was er immer bekommen hat.

6 Anregungen für lustvolle Spielräume

  • Ich wünsche mir…: Führen Sie ernsthafte Gespräche über Sex besser nicht im Bett und auch nicht zwischen Tür und Angel. Nehmen Sie sich Zeit und finden Sie einen guten Zeitpunkt, z.B. bei einem Spaziergang. Bleiben Sie bitte unbedingt bei motivierenden Botschaften, die ein Bild zeichnen, wohin sie möchten. Klar und “messbar”,  wie etwa “ich genieße es, wenn…”. “es macht mich heiß, wenn…”. Tabu sollten Phrasen wie “es nervt mich, wenn…”, “lass das…”, sein. Meiden Sie generelle Wörter wie immer, nie, dauernd – und formulieren Sie Wünsche statt Vorwürfe.
  • Lust braucht Gelegenheit, Spielräume und Zeit: Nehmen Sie sich bewusst Zeiträume für einander. Wie wäre es, wenn Sie jetzt beginnen und zu einem Rendezvous einladen? Lassen Sie Ihre Fantasie spielen und erwarten Sie nicht gleich intensiven Körperkontakt beim ersten “neuen” Date. Freuen Sie sich über bewusste Schritte in Richtung Lust.
  • Einladungen sind viel erfolgreicher als Vorwürfe: Womit waren Sie schon früher erfolgreich beim Partner? Was turnt ihn bzw. sie an? Womit können Sie Ihren Partner, Ihre Partnerin jetzt einladen und positiv überraschen? Was möchten Sie gerne mit Ihrem Partner erleben, wonach sehnen Sie sich? Und wie können Sie das so vermitteln, sodass Ihr Gegenüber es bemerkt? Und mitmachen möchte?
  • Lustvolle Rituale: Schön ist es, wenn Sie einander abwechselnd zu Verabredungen einladen. Dies will fix vereinbart werden (z.B.: alle 7/14/21 Tage ein Date, immer abwechselnd ausgesprochen). Klare Verabredungen sind hier ganz wichtig, nur so kann Vorfreude entstehen. Wenn Sie möchten, teilen Sie Ihrem Partner z.B.: nur den “Dresscode” mit, alles andere wird eine Überraschung. Es geht weniger um teure Einladungen als um genussvolle gemeinsame Erlebnisse und neue Impulse. Ein Picknick kann viel intimer werden, als eine tolle Veranstaltung.
  • Spielerische zärtliche Annäherung: Berühren Sie einander bewusst anders (langsamer, fester, zärtlicher, …) und spüren Sie, wie es sich anfühlt. Fragen Sie nach. Schauen Sie einander bewusst mit Blickwinkel auf das Positive an und sagen Sie dem anderen, was Ihnen schon immer gefallen hat oder heute besonders auffällt, bemerken Sie wieder die wunderschönen Augen oder sinnlichen Lippen, die erotische Stimme, den Schwung der Augenbrauen. Je mehr Zeit Sie sich lassen, desto mehr fällt Ihnen auf.
  • Manchmal kommt der Appetit auch erst beim Essen: Lassen Sie sich ein. Tatsächlich kommt auch beim Sex die Lust oft erst durch Aktivität und durch angenehme sexuelle Erlebnisse. Sagen Sie, was Sie möchten, vielleicht zu Beginn eine langsamere Annäherung? Hierzu ein sportlicher Vergleich – wer nach langer Pause neu mit dem Laufen beginnt, braucht auch ein wenig Durchhaltevermögen und Regelmäßigkeit, bis er wieder Freude, Erfolge und Hochgefühle verspürt.

Wer sich für ein Leben mit Lust und Sexualität entscheidet, wird sich immer wieder aktiv zeigen dürfen und auch wollen. Auf der anderen Seite ist es auch notwendig, die Signale des anderen zu lesen und wahrzunehmen, auch kleine Hinweise wollen wahrgenommen und liebend gerne aufgegriffen werden. Bleiben Sie im bewusstem, wohlwollenden Austausch, fragen Sie nach und finden Sie klare, liebevolle Worte, sonst können Interpretationen irreführend sein. Mit Achtsamkeit und Überraschungsmomenten gelingt die für Sie richtige Mischung aus Lust, Hingabe, Geben und Nehmen. Viel Freude damit!!